Villa dei Cedri: Vom Wohnsitz zum Museum
Das Gebäude, in dem sich das Museo Villa dei Cedri befindet, geht mindestens auf das 19. Jahrhundert zurück. Es erfuhr im Lauf der Zeit mehrmals bauliche Veränderungen: Während das ursprüngliche Landhaus die schlichte Formgebung des Spätklassizismus aufwies, verdankt sie ihr gegenwärtiges Aussehen vor allem den Zubauten, die der Mailänder Architekt Nelusco Mario Antoniazzi im Auftrag des Bankiers Arrigo Stoffel ausführte. Dieser hatte die Liegenschaft im Jahr 1931 erworben.
Die Villa befindet sich in Ravecchia, einem Dorf über den Flüssen Dragonato und Guasta und südlich der Stadt Bellinzona, der es seit 1907 angehört. Zu Ende des 19. Jahrhunderts galt Ravecchia als „schönster Vorort von Bellinzona, mit üppiger Vegetation, eleganten Villen und einem ausgedehnten Blick über das untere Tessintal bis zum Lago Maggiore“ (Geografisches Lexikon der Schweiz, 1906). In diesem Wohn- und Sommerfrischeort wurden aber auch Landwirtschaft, Gartenbau, Viehzucht und ausgedehnter Obstbau betrieben. Es überrascht daher nicht, dass die Bellinzoner Aristokratie wie etwa die Familie Bonzanigo, die als früheste bisher bekannte Besitzerin aufscheint, ausgerechnet in dieser lieblichen Gegend ihre Vorstadtvillen erbaute. Bewohnt wurden die Häuser allerdings nur vom späten Frühjahr bis in den Herbst. Das Gebäude wurde später mehrmals verkauft: Zwischen 1868 und 1905 gehörte es der Familie Farinelli, danach ging es an die Resinelli über, die es wiederum 1926 an Enrico Guscio verkauften. 1931 erwarb es der Bankier Arrigo Stoffel von der Banca Popolare.
Mit jedem Besitzerwechsel gingen auch bauliche Veränderungen an der Villa und im Park einher. Besonders die Zu- und Umbauten der 30-er Jahre des 20. Jahrhunderts waren von bürgerlichen Repräsentationsvorstellungen geprägt, gleichzeitig erfüllten sie die Ansprüche der Besitzer an Wohngenuss und -komfort. Dabei schufen sie eine enge Verbindung zwischen Villa und Park, zwischen Architektur und Natur. Ausser Terrasse, Veranda und Balkon wurde auch ein Panoramaturm errichtet, der - wie zahlreiche Beispiele im Tessin beweisen - im Wohnbau der damaligen Zeit als Statussymbol galt. Dank dieser Zubauten lassen sich der Park und die umliegende Landschaft von verschiedenen Perspektiven aus geniessen. Zugleich durchbrechen sie die Strenge der geschlossenen spätklassizistischen Architektur und lösen auf malerische Weise die Konturen des Baukörpers auf, wie es typisch ist für eklektizistische Villenbauten. Ihre pittoreske Anmutung spiegelt sich auch im Garten wider, der als Landschaftsgarten nach englischem Vorbild angelegt wurde. Gleichzeitig dient und diente er aber ganz praktisch dem Gartenbau: Wein-, Obst- und Gemüsegarten und ein Treibhaus machen die grüne Oase komplett.
Im Inneren der Villa fallen die repräsentativen Fussböden und Parketten, Stuckdecken und Kamine (teilweise entfernt) auf. Beachtenswert sind auch die Fluss- und Seeveduten im Atrium und über den Türen, die den Ausblick der Villa erweitern sollten.
Seit 1978 gehören die Villa und der Park mit dem Jahrhunderte alten Baumbestand der Stadtgemeinde Bellinzona, die dort 1985 die städtische Kunstgalerie - heute Museo Villa dei Cedri - einrichtete. Der neue Verwendungszweck machte einige bauliche Änderungen notwendig, die jedoch weder die Gebäudesubstanz noch ihren Stil berührten. So bewahrt sie weiterhin den Charakter eines bürgerlichen Wohnsitzes.
Die Gründung des städtischen Museums Villa dei Cedri
Die Idee, ein Kunstmuseum für die Stadt zu gründen, ist 1970 entstanden. In diesem Jahr stellten der Arzt Emilio Sacchi und der aus Bellinzona stammende und im nahen Italien lebende Bankier Adolfo Rosso der Allgemeinheit ihre eigenen Kunstsammlungen zur Verfügung, die vor allem Gemälde vom 17. bis zum 20. Jahrhundert umfassten. Die Sammlung Rossi wurde erstmals im Jahr 1973 im Rathaus öffentlich präsentiert. 1977 wurden die Sammlungen Rossi und Sacchi, die den Kern des städtischen Kunstmuseums bildeten, gemeinsam wiederum in den Räumlichkeiten des Rathauses gezeigt. Nach dem Erwerb der Villa dei Cedri und der Gründung der Städtischen Kunstgalerie entschloss man sich, der jungen Institution eine klare Ausrichtung zu geben und ihre Ankaufsstrategie auf schweizerische und italienische Kunst von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart auszurichten. Im Besonderen konzentriert sie sich auf die in der Region tätigen Künstler, den Erwerb von Originalwerken und Arbeiten auf Papier.
Historisches Fotoalbum der Villa dei Cedrii
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